Die 10. bundesweite Gedenkstättenkonferenz fand dieses Jahr im Kreismuseum Wewelsburg statt.
Über 50 Vertreterinnen und Vertreter der bundesweiten Gedenkstätten und Gedenkinitiativen für die Opfer von NS-Verbrechen sowie der Bundes- und Landeszentralen nahmen daran teil. Sie diskutierten in der drei Tage dauernden Konferenz über aktuelle Fragen an eine zeitgemäße Erinnerungskultur, die sich aus den Themen Kolonialismus, Multidirektionale Erinnerung, Diversität und Globalisierung ergeben. In ihren Grußworten stellten Frau Gonca Türkeli-Dehnert, Staatssekretärin des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, und Verena Haese, stellv. Landrätin des Kreises Paderborn, die Bedeutung der Gedenkstätten für NS-Opfer für die Erinnerungskultur und die historisch-politische Bildung heraus.
Dr. Thomas Lutz, Leiter des Gedenkstättenreferats (Stiftung Topographie des Terrors) begrüßte stellvertretend für alle Veranstalter die Teilnehmenden der Konferenz. Zu Beginn referierte Prof. Dr. Frank Bajohr vom Institut für Zeitgeschichte, München, über den neuen Historikerstreit, in dem die Frage diskutiert wird, ob der Holocaust singulär sei oder es Kontinuitätslinien zwischen Kolonialismus und Holocaust gäbe. An der folgenden Podiumsdiskussion nahmen Herr Bajohr, Dr. Oliver Wrochem, Leiter der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte, Dr. Elke Gryglewski, Leiterin der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten, sowie Kirsten John-Stucke, Leiterin des Kreismuseums Wewelsburg, teil. Es wurde klargestellt, dass die Gedenkstätten in den aktuellen Historikerstreit gar nicht involviert seien. Der Vergleich des Kolonialismus mit dem Holocaust sei legitim, dürfe aber nicht zu einer Gleichsetzung von beiden führen. Die Erinnerungskultur habe das Ziel, die Vergangenheit immer neu zu befragen und müsse sich neuen Forschungsansätzen stellen, ohne aber den Blick auf die genuinen Aufgaben zu verlieren.
Am nächsten Tag wurden Praxisbeispiele von Verflechtungsgeschichten in Gedenkstätten für NS-Opfer vorgestellt. So stellte Burak Yilmaz aus Duisburg seine Arbeit mit muslimischen Jugendlichen zu NS-Verbrechen vor. Christa Frins vom Zentrum für Erinnerungskultur, Menschenrechte und Demokratie, Duisburg, berichtete von ihrem Ausstellungsprojekt „Koloniale Spuren in Duisburg“. Die Verflechtung von Kolonialismus und Nationalsozialismus in Gedenkstätten war Thema bei Dr. Susann Lewerenz, Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte, die ihre Materialien und Studienhefte zu kolonialem und rassistischem Denken vorstellte. Nicole Broder, Bildungsstätte Anne Frank, Berlin, schließlich reflektierte über das Thema „Identitätspolitik – zwischen Abschottung und Allianz“. Nachfolgend wurden Workshops angeboten, die die Themen Diversität und Multiperspektivität in der Erinnerungskultur weiter ausleuchteten: Cornelia Chmiel, FU Berlin, und Jenny Faber, Arbeitskreis „Räume öffnen“ stellten die Bildungsarbeit an Gedenkstätten in einer Gesellschaft der Vielen vor. Suy Lan Hopmann, Behörde für Kultur und Medien, Hamburg, referierte über „Ethnologie und Geschichte – Bedeutung für die historische-politische Bildung in Gedenkstätten“. Das Thema „Osteuropäische Erinnerungsnarrative und deren Bedeutung für die Vermittlung in Gedenkstätten“ wurde von Dr. Ekaterina Makhotina, Universität Bonn, sowie von Mitarbeiterinnen des Museums Berlin-Karlshorst beleuchtet.
Nach dem inhaltlichen Austausch zu den erinnerungskulturellen Themen standen am Nachmittag Berichte über die Arbeit des Gedenkstättenverbands sowie verschiedener Arbeitskreise auf dem Programm. Außerdem wurde mit der Vertreterin der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien über die Neufassung der bundesweiten Gedenkstättenkonzeption diskutiert. Im Koalitionsvertrag wurde zwar eine auskömmliche Förderung der Gedenkstätten festgeschrieben, allerdings müssen die aktuellen Herausforderungen durch den Ukraine-Krieg, Inflation und fehlende Ressourcen jetzt mitberücksichtigt werden. Auch die Zukunft des Gedenkstättenreferats (Stiftung Topographie des Terrors, Berlin) wurde angesprochen, da es dringend einer Aufstockung der finanziellen Ausstattung bedarf.
Am letzten Konferenztag stand die Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg 1933–1945 im Mittelpunkt. Die Konferenzteilnehmenden bekamen die Gelegenheit, sich intensiv mit den Ausstellungen und pädagogischen Angeboten in der Wewelsburger Gedenkstätte auseinanderzusetzen. In drei Gruppen wurden die Themenschwerpunkte „Genese und Konzeption der Gedenkstätte“ (Kirsten John-Stucke), „SS-Täterperspektive“ (Markus Moors) sowie „Lagergelände und Nachnutzung“ (Dr. Erik Beck) untersucht.
Die Tagung wurde finanziert mit Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stiftung Topographie des Terrors und des Kreismuseums Wewelsburg.
10. Bundesweite Gedenkstättenkonferenz:
Gedenkstätten für NS-Opfer im Spannungsfeld von Singularität und multidirektionaler Erinnerung
Vom 21.-23.9.2022 im Kreismuseum Wewelsburg
Kreismuseum Wewelsburg
Burgwall 19
33142 Büren-Wewelsburg
Deutschland
Tel. 02955 7622-0
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